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Bosnien / Kroatien 2012
Vorgeschichte / Planung
Bosnien? Warum Bosnien? So oder so ähnlich lauteten einige Fragen, die besorgte Mitmenschen in meine Richtung formulierten. In der Tat: Die Fragen schienen nicht gänzlich unberechtigt, ist doch Bosnien touristisch ein weitgehend weißer Fleck auf der europäischen Landkarte. Vermutlich liegt hier aber genau die Antwort auf die Frage nach dem "Warum". Es reizt mich halt mehr, Unentdecktes zu erfahren und zu erleben, als in den Spurrillen Tausender Motorräder Schlange-stehen an den Alpenpässen zu üben. Also Bosnien. Die Vorplanungen ließen meinen Freund Volkmar und mich dann allerdings ein wenig vorsichtig werden: Bosnien ist das Land mit der höchsten Landminendichte weltweit. In irgend-einem Forum lautete demzufolge auch der gut gemeinte Rat an den Endurofahrer: Bitte nur die Wege benutzen, die erkennbar vorher bereits von einem Fahrzeug benutzt und keine Abkürzungen über Wiesen und Weiden, die lange nicht mehr gemäht wurden. Bosnien ist ein großes Land, insoweit drängte sich die Frage auf, wohin? Eine Recherche im Internet brachte die Erkenntnis eines deutschsprachigen Campingplatzes in Bosanska Krupa, eine Kleinstadt zwischen Bihac und Banja Luka. Die Warnung mit den Landminen im Hinterkopf ging es dann im Sommer 2012 in Richtung Balkan.
Reisefertig
1 Anreise Für die Anreise wählte ich die Route über Crailsheim, was insbesondere deshalb Sinn machte, als dass ich dort meinen Freund und Reisebegleiter Volkmar "aufsammeln" konnte. Von Crailsheim ging es weiter bis zum Chiemsee, wo wir die erste Übernachtung beim "Chiemsee-fischer" hatten. Non-stop von Enniger bis zum Chiemsee waren dann auch ausreichend ... Am Folgetag durchkreuzten wir unter der sachkundigen Führung von Volkmar das schöne Österreich, um über den Loibl-Pass die Karawan-ken auf der slowenischen Seite zu überqueren. Die nächste Nacht verbrachten wir dann in Skofja Loka mit Public-Viewing des Song-Contest´s 2012: Eine durchaus interessante Erfahrung, wie so ein Schlagerfestival grenzüberschreitende Kontakte fördert ;-)
2 Bosnien: Bosanska Krupa Nach der Grenzüberquerung dauerte es gefühlte fünf Kilometer und wir erblickten die erste Moschee. Ich muss zugeben: Ein erhabener An-blick, der uns zum sofortigen Fotostopp animierte. Nun ja, mit dem erstmaligen Anblick einer Moschee in Bosnien verhält es sich ungefähr so wie mit dem ersten Erblicken eines Pferdefuhr-werkes in Rumänien: Man ist verzaubert, fühlt sich in Raum und Zeit versetzt, fotografiert die letzten Pixel vom Chip ... um dann zu erkennen, dass dies für die nächsten Tage ein Daueranblick werden wird. Immerhin verbrachten wir den ersten Teil unseres Urlaubes in einem muslimischen Land, zumindest in einer überwiegend von Muslimen bewohnten Region.
3 Der Campingplatz in Bosanska Krupa war leicht zu finden und über eine Schotterpiste von gut drei Kilometern - entlang eines Minenfeldes - gut erreichbar. Una-Camp, so hieß der Platz, bot uns eine wunderschöne, ausreichend große und vor allem saubere Holzhütte, malerisch 10 Meter vom Fluss Una und 50 Meter vom Minenfeld entfernt. Das Essen wurde traditionell zubereitet, war lecker und preiswert. Das dies mit dem bosnischen Bier ähnlich war, muss eigentlich nicht weiter erwähnt werden.
4 Die Nächte in unmittelbarer Nähe zum Minenfeld hatten zunächst etwas Bedrohliches. Wenn wir abends noch vor der Hütte saßen, den nächsten Tag planten oder über Gott und Feld philosophierten, zuckten wir zu Beginn jedesmal etwas zusammen, wenn über den dicht bewaldeten Abhang des Minenfeldes Steine in Richtung Campingplatz rollten. Schlussendlich löste sich diese Anspannung sehr schnell und - zu unserem Erstaunen - arrangierte man sich mit diesen Rahmenbedingungen sehr schnell. Unsere Touren in den Folgetagen führten uns immer wieder in Regionen und Landstriche, die durchsetzt waren von Minenfeldern. Zu unserer Beruhigung waren diese jedoch sehr gut gekennzeichnet, so dass wir nicht wirklich Sorge hatten, dass unsere Tour ein abruptes Ende nehmen könnte. Belastend waren da schon eher die stetigen Zeugnisse eines grausamen Bürgerkrieges, der in den 90er Jahren insbesondere die Region um Bosanska Krupa und Bihac heimgesucht hat: Einschüsse von Maschinengewehrsalven an den Häuserfronten waren ebenso allgegenwärtig, wie zerschossene und abgebrannte Bauernhäuser in den ländlichen Regionen.
5 Unterwegs in Bosnien Von unserem "Basislager" in Bosanska Krupa ging es für fünf Tage zur Erkundung von Land und Leuten in die nähere und nicht ganz so nahe Region. Zusammenfassend ist festzustellen, dass uns die Bonsiaken mit einer überwältigenden Gastfreundschaft begegnet sind. Als wir uns einmal heftigst auf dem weit verzweigten Schotterpistennetz verfahren hatten und vermutlich nach einem illegalen Grenz-übertritt nach Kroatien ebenso illegal wieder in Bosnien "einreisen" wollten, wurden wir von zwei Polizeibeamten im Busch angehalten. Keine Ahnung, wie die dahin gekommen sind, aber als sie ihre Hände an die Waffen legten, war uns auch nicht nach einer Diskussion über Zuständigkeiten und Befugnisse zumute. Nach mehreren Minuten hatten wir den Sachverhalt aufgeklärt und ab dem Moment war die Situation nicht nur entspannt, sondern außerordentlich freund-schaftlich. Angesichts unserer Erfahrung in der Ukraine wäre dies wohl dort nicht so glimpflich abgelaufen. Die Gastfreundschaft der Menschen zeigte sich uns ein zweites mal, als wir bei Einheimischen nach dem rechten Weg fragten. Eine sofortige Wegweisung war nicht zu erwarten: Zuerst hieß es "absitzen", gemeinsam einen Tee trinken, zu erzählen, woher wir kamen und wohin wir wollen ... und dann setzte sich der nette Bosniak ins Auto und fuhr 10 Kilometer über staubige Pisten vor uns her, um uns den Weg zu weisen.
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6 Auf Empfehlung von Idriz, unserem einheimischen Campingplatz"-Manager", haben wir uns auf dem Weg nach einem legendären Wasserfall - Strbacki Buk - gemacht. Wie alles in Bosnien war auch dieses atemberaubende Naturschauspiel nicht ausgeschildert - touristische Erschließung mangelhaft. Andererseits war man dann auch unter sich und hatte die ganze Schönheit dieser Kaskade - südlich von Bihac gelegen - ganz für sich allein. Als wir dort ankamen, sahen wir einen jungen Mann, der in der totalen Einöde - in unmittelbarer Nähe zum Wasserfall - eine Wiese mähte. Dies kam uns doch etwas seltsam vor und wir erkundigten uns nach dem "wieso" und "warum". Er wies freundlich auf einen Gedenkstein am Ende der "Wiese" und erklärte uns, dass er das Massengrab des Massakers von Bihac mähen würde - 1.547 Tote, überwiegend Frauen und Kinder, die im Rahmen der ethnischen "Säuberung" des Tals bis an den Wasserfall getrieben und dort dann erschossen wurden. Uns klappte die Kinnlade runter und die Ahnung um das, was hier vor wenigen Jahren geschah, lies uns eine Gänsehaut wachsen. Eben noch der freudige und ungetrübte Genuss eines unglaublichen Wasserfalls, Naturgewalten pur und für uns ganz allein ... und dann wie ein Schlag in die Magengrube die Konfrontation mit dem Grauen. Dieses Erleben hat uns tagelang nicht los gelassen.
7 Kroatien Nach einigen Tagen in Bosnien ging es dann nach einem Besuch der Plitvicer Wasserfälle weiter nach Kroatien. Allein die Plitvicer Seen sind schon die Anreise wert: Seeen auf unterschiedlichen Höhen gelegen ergießen sich in die jeweils darunter liegenden Gewässer. Kaskaden und Wasserfälle in einer unüberschaubaren Anzahl. ein atemberaubendes Naturschauspiel. Allerdings gab es einen kleinen Unterschied zu den Wasserfällen von Strbacki Buk: Waren wir in Bosnien allein an einem wundervollen Wasserfall, so staute sich der Besucherandrang in den Plitvicer-Seenplatte wie zur Feierabendzeit am Kamener Kreuz. Volkmar und ich waren allerdings auch ein wenig "verpeilt", weil wir es unterlassen haben, unsere Motorradklamotten am Eingangsbereich zur Seenplatte in eigens dafür zur Verfügung stehende Spinde zu schließen. So waren wir bei mehr als 30 Grad zwar allzeit die bestangezogendsten Biker, aber vermutlich auch die Gäste mit der höchsten Transpirationsquote. 8 Mali Alan Nach dem kurzen und schweißtreibenden Stopp in Plitvice ging es dann in Richtung Süd-West in die Nähe von Zadar. In einem kleinen Touristen-dörfchen (Seline) unmittelbar am Mittelmeer ver-brachten wir zwei Tage. Von dort aus ging es dann in nahe gelegene Velebit-Gebirge. Hier stand für uns insbesondere der legendäre "Mali-Pass-Pass" auf der Agenda. Vermutlich nicht nur, weil Winetou auf diesem Pass den letzten Atemzug tat, sondern weil er sich über 30 Kilometer reinsten Schotters in das Velebit-Gebirge schraubt, zählt diese Straße zum "must-have" aller Endurofahrer. Vom Pass aus genießt man einen atemberaubenden Blick auf die zerklüftete Küstenlandschaft Dalmatiens und das Velebit-Gebirge mit seinen weißen Felsformationen.
9 Zurück ging es dann in vier Etappen. Zunächst ging es über die wunderschöne und angesichts der Vorsaison kaum befahrene Küstenstraße bis nach Rijeka, um dann über Tolmin in die Karawanken einzubiegen. Hier machten wir für eine Nacht Rast in Zakojca in einer wunderschönen Pension hoch in den Bergen. Kurz vor Tolmin habe ich dann beim Tanken einen alten Schulkameraden aus meinem Heimatort getroffen, den sich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte. Die Welt ist halt ein Dorf. Leider haben wir von den Karwanken und den Alpen nichts erkennen können, da es kurz hinter Tolmin teils heftig anfing zu regnen. Der Regen hielt sich hartnäckig bis kurz vor Crailsheim, wo ich dann dank der Gastfreundschaft meines Freundes Volkmar die letzte Nacht in einem fremden Bett verbringen durfte.
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