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Rumänien 2013:
Vorgeschichte / Planung
Wohin 2013? Das war die Frage aller Fragen In den dunklen Stunden, kurzen Tagen und langen Nächten des Winters 2012/2013. Mein Freund Volkmar und ich haben lange telefoniert, gefühlte hundert Mails ausgetauscht, Pläne geschmiedet, spinnerte Ideen entwickelt und wieder verworfen.
Am Ende stand fest: Rumänien sollte es noch einmal sein.
Zu spannend, zu beeindruckend und inspirierend war unsere Tour 2011. Nach intensiver Planung waren wir uns einig: Es sollte der gesamte Karpatenbogen sein. Bedeutet im Klartext: Einreise über Arad. Dann im Zick-zack über die Südkarpaten, Ostkarpaten, Maramures (Nordkarpaten) und dann über Satu Mare nach Ungarn und dann durch die Slowakei und Polen wieder nach Hause.
Soweit so gut ... aber irgendwie noch nicht wirklich "rund".
Nach einer intensiven Inaugenscheinnahme der Strecke haben wir dann noch die Schwarzmeerküste und das Donaudelta ins Programm genommen.
Ebenso wichtig wie die Sehenswürdigkeiten rechts und links des Weges sind mir Kenntnisse über Land und Leute, die Sprache und die Gepflogenheiten der Menschen. Ich fühle mich in fremden Ländern immer auch als "Botschafter" meines Landes. So wie ich mich verhalte, so strahlt es auch auf "mein" Land zurück.
Also immer schön anständig bleiben!
Rumänienrundfahrt 2013
1 Etappen 1 - 3 (Ennigerloh - Gaisthal - Frauenkirchen - Makó) Die ersten Etappen unserer Anreise führten uns von Ennigerloh in Richtung Fulda (das einzige Stück Autobahn auf dem Weg nach Rumänien), von dort aus durch den Bayerischen Wald (Übernachtung in Gaisthal, Gaisthaler Hof) nach Österreich zum Neusiedler See. Spät abends trafen wir (Berthold + Willi, beide aus Enniger) in einem Hotel in Frauenkirchen dann auf Volkmar (Crailsheim). Unsere Reisegesellschaft war damit komplett. Am dritten Tage führte uns die Route zum Balaton und dann über die unendlich langweiligen Straßen Ungarns nach Makó, kurz vor der Grenze nach Rumänien. Über Ungarn lässt sich nichts schlechtes sagen: Ein tolles Land, nette Menschen, gute Gastronomie ... aber für Motorräder ziemlich langweilig. Die Straßen sind in einem guten Zustand, führen aber kilometerlang schnurstracks in eine Richtung, dann eine leichte Kurve um sogleich wieder 20 Kilometer wie am Lineal gezogen Richtung Horizont zu weisen. Die Übernachtung in Makó war überaus angenehm: Ein kleiner Pool lockte mit erfrischendem Nass. Eine freundliche Bedienung sorgte für eine auskömmliche Flüssigkeitszufuhr, nachdem wir uns vorher ausgiebig mit kulinarischen Köstlichkeiten der ungarischen Küche haben verwöhnen lassen.
2 Etappe 4 - 5 (Makó - Sebes - Costesti) Nach dem eher langweiligen Trip über die Straßen Ungarns ging es endlich nach Rumänien. Der Verkehr in Arad war so, wie wir ihn erwartet hatten: Heftig! In Grenznähe staute sich der Verkehr an einer Baustelle kilometerlang. Bettelnde Zigeuner nutzen dies dazu, den PKW- und LKW-Fahrern aufdringlich Waren feilzubieten, zu unserem Erstaunen vorrangig Smartphones. Um dem Verkehr zu entrinnen, schlugen wir einen nordöstlichen Bogen über Nebenstrecken in Richtung Sebes (Mühlbach), wo wir ein Hotel unmittelbar an der Transalpina gebucht hatten. Irgendwie konnte man sich im Hotel nicht mehr an unsere Buchung erinnern, aber nach Vorlage des online-Buchungsbeleges ging es dann doch reibungslos vonstatten. Im Verlauf des Abends dämmerte es uns dann, warum man uns als Gäste nur bedingt freudig aufgenommen hatte: Wir waren Zeuge einer rumänischen Hochzeit und durften den Feierlichkeiten, die durch laute landestypische Musik untermalt wurde, bis weit in die Nacht lauschen. An Schlaf war kaum zu denken ...
3 Transalpina Am Folgetag sattelten wir bei strahlendem Sonnenschein unsere Maschinen: Auf uns wartete der höchste Pass Rumäniens. Die Transalpina-Road schraubt sich auf mehr als 2.000 Metern und - anders als in den Alpen - fährt man rund 15 Kilometer auf dieser Höhe. Die Rumänen behaupten, auf diesem Pass könne man den Himmel greifen. Ich würde nicht widersprechen. Der Straßenbelag wechselte häufiger von "excellent" zu "nicht vorhanden", was uns höchste Konzentration abverlangte (Nachtrag: Seit Oktober 2015 ist die Transalpina im gesamten Verlauf asphaltiert). Insbesondere die Tatsache, dass der Straßenbelag sich oftmals direkt hinter nicht einsehbaren Kurven in Luft auflöste, erforderte eine sehr zurückhaltende und vorausschauende Fahrweise. Dafür entlockten uns die längeren Passagen auf Schotter ein Grinsen von einem Ohr zum anderen. Die Transalpina darf sich zurecht als die "Straße des Königs" bezeichnen: Das Panorama auf der Passhöhe ist einzigartig, kaum in Worte zu fassen, die Bergwelt lässt einen vor Erfurcht verstummen. Richtig heftig wurde es allerdings, als uns bei der Abfahrt auf der Südseite der Karpaten dichtester Nebel überraschte. Die Sicht war gefühlt bei unter 10 Metern und da es keine Fahrbahnmarkierungen gab, lag der Adrenalinspiegel häufiger am Anschlag.
4 Avrig (Frek) - Palatul Brukenthal - Sibiu (Hermannstadt) Nach der berauschenden Überquerung der Karpaten führte uns die Route über den "Roten-Turm-Pass"(DN 7) wieder Richtung Norden gen Sibiu / Hermannstadt. Unser "bescheidenes" Quartier schlugen wir in Avrig / Frek auf, einem kleinen Städtchen vor den Toren von Hermannstadt. Im Palatul Brukenthal genossen wir nicht nur komfortable und außerst großzügige Zimmer, sondern auch eine phänomenale Garten- und Parkanlage, die uns die Pracht längst vergangener Epochen lebendig werden lies. Nachdem wir uns des Gepäckes entledigt hatten, statten wir Hermannstadt einen - für mich ersten - Besuch ab. Wer das Bild eines armen Rumäniens vor Augen hat, wird hier eines Besseren belehrt: Eine wunderschöne, saubere Stadt, ein pulsierender Wirtschaftsstandort. Ein besonderes Highlight war zweifelsohne das Treffen mit Dietrich Galter, dem ev. Pastor von Hermannstadt. Er ist nicht nur ein hervorragender Motorradfahrer (was er uns während der Fahrt durch Hermannstadt eindrucksvoll unter Beweis stellte), sondern ein erstklassiger Stadtführer und profunder Kenner der Siebenbürgischen Kultur.
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5 Transfagarasan (Transfogarascher Hochstraße) Am Folgetag wartete dann das sicherlich spektakulärste Abenteuer auf uns: Transfagarasan. Der Transfagarasan oder die "Transfogarascher Hochstraße" gilt bei den Engländern als der schönste Pass der Welt. Ob er nun tatsächlich "der" schönste ist, würde ich nicht behaupten wollen. Aber zu den schönsten Europas gehört er zweifelsohne: Blickt man von der Passhöhe ins Tal, brennt sich ein atemberaubendes Postkartenpanorama unauslöschlich auf die geistige Festplatte. Diesen Blick habe ich , Stand Sommer 2017, bislang sicherlich ein Duzend Mal genießen dürfen ... Die Südflanke ist zweifelsohne auch spannend, aber nicht zu vergleichen mit der Auffahrt aus Richtung Norden. Für unnötige Adrenalinkapriolen sorgte ein suizidales Schaf, das mir unvermittelt ins Vorderrad sprang. Nur knapp konnte ich einem Sturz ausweichen. Einige Daten und Fakten zur dieser beeindruckenden Straße: Gebaut zwischen 1970 und 1974 hat er bei einer maximalen Steigung von rd. 9 % eine Gesamtlänge von 151 Kilometern. In der Bauphase haben viele Arbeiter ihr Leben gelassen. Die genaue Anzahl ist unbekannt - man spricht von bis zu 400 Toten. Am höchsten Punkt des Passes (2.050 Meter) trifft man auf den Balea See (Lacul Balea), ein wundervolles Ausflugsziel und begehrtes Fotomotiv. In der Cabana Balea gibt es gutes, deftiges und preiswertes Essen. Auch eine Übernachtung ist möglich. Der Transfagarasan ist in der Zeit von Anfang Juli bis Ende September befahrbar, wobei die Zeitangaben je nach Witterung etwas variieren können. Im Winter ist der Balea-See nur durch die Seilbahn von der Nordseite aus erreichbar. 6 Schwarzmeerküste, Galati und die Seewolfes Nach einer sehr komfortablen Nacht in Curtea de Arges folgten wir dem Ruf des Schwarzen Meeres. Über die Autobahnen 1 und 2 rauschten wir in Richtung Constanta. Warum allerdings die Autobahn ausgerechnet um Bukarest herum kaum Landstraßenformat hat und auf diesen rund 30 Kilometern demzufolge alles im LKW-Verkehr erstickt, wird das Geheimnis des rumänischen Straßenbaus bleiben. Die Küste des Schwarzen Meeres hat uns aus mehreren Gründen sehr beeindruckt: Feiner und sauberer Sandstraße, kristallklares Wasser, gepflegte und unaufdringliche musikalische Beschallung der Promenade und leckeres Bier, frisch gezapfte 0,3er für 1,0 Euro. Nach diesem überaus relaxten Warmbadetag in Neptun (unser Hotel lag unmittelbar angrenzend zur ehemaligen Sommerresidenz von Nicolae Ceaușescu) wollten wir dann dem Donaudelta einen intensiveren Besuch abstatten, zumal die Ennigeraner "Rumänienhilfe" seit vielen Jahren Hilfstransporte in diese Region organisiert. Ein etwas zu optimistischer Fahrbahnwechsel von Willi auf einer der viel befahrenen Hauptstraßen in Constanta machte uns allerdings einen Strich durch die Rechnung: Er kollidierte bei ca. 60 Km/h mit einem PKW und Fahrer und Material knallten auf rumänischen Asphalt. Nach einer intensiven Inaugenscheinnahme der Unfallfolgen hieß es von Seiten Willis: "Nix passiert, es kann weitergehen - das Motorrad ist fahrbereit". Nun ja: Das Motorrad war es sicherlich, Willi aber eher weniger. Sehr zu meiner Verwunderung hat er es dennoch über rund 220 Kilometer bis nach Galati geschafft - und das mit einer ausgekugelten Schulter und zwei gebrochen Rippen. Willi sollte für mich übrigens zum Vorbild werden für mein Verhalten nach einem ähnlichen Unfall ein Jahr später. Ob es in beiden Fällen klug war, weiterzufahren, sei an dieser Stelle jedoch unbeantwortet ... Willi wurde jedenfalls zwei Tage später nach D´dorf ausgeflogen. Vier Wochen später ging es ihm wieder gut ... heute fährt er wieder Mopped. Die Nacht in Galati wird uns übrigens im Gedächtnis bleiben: Einige Tage zuvor hatten wir auf dem Transfagarasan ein Paar (Vater + Tochter) aus Galati kennengelernt, die uns zu einem Besuch ihres Motorradclubs eingeladen hatten. Wir wurden von Cristina am Hotel abgeholt und konnten tief in die Sitten und Gebräuche der Seewolfes in Galati eintauchen: Harte Typen mit kahlen Schädeln, dicken Oberarmen und Tattoos ... aber ein Herz aus Gold. Sie hatten für den verunfallten Willi immerhin einen Arzt und für den Rücktransport der Maschine nach Deutschland einen PKW mit Anhänger organisiert. Lapidare Anmerkung: Unter Motorradfahrern hilft man sich. Dass wir schlussendlich lieber auf die Dienstleistungen des ADAC ausgewichen sind, machte die Unterstützung der Seewolfes nicht weniger beeindruckend.
6 Toplita - Bicaz - Viseu de Sus Nach der Verabschiedung von Willi ging es dann mit gemischten Gefühlen in die Ostkarpaten nach Toplita, wo Elena und Constantin, ein rumänisches Ehepaar aus Ennigerloh, auf uns warteten. Eigens hatten sie ihren Jahresurlaub so geplant, dass sie uns für eine Nacht ein Dach über den Kopf gewähren konnten. Gastfreundschaft auf rumänisch, unglaublich. Unglaublich war auch die Durchfahrt durch den Canyon von Bicaz: Hundert Meter hoch strecken sich die Felswände in die Höhe und verursachen eine Gänsehaut erzeugendes Fahrerlebnis.
7 Lacul Bicaz - Viseu de Sus (Oberwischau) Nach der Bicaz-Klamm führte uns die Route um den Bicaz-See. Die Fahrt hoch über dem Ufer dauerte rund zwei Stunden, unterbrochen nur durch kleine Fotopausen. Am späten Nachmittag dann endlich "daheim". Nun ja, "daheim" ist vielleicht der falsche Ausdruck, aber ein ähnliches Gefühl stellt sich bei Florentina und Björn im Weintal fast zwangsläufig ein. In Viseu de Sus (Oberwieschau) waren wir ja schon im Jahr 2011 zu Gast und haben eine tiefe Freundschaft knüpfen können. Der Aufenthalt wurde im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Fest, auch dank eines hoch interessanten nächtlichen Besuches des Stadtfestes von Viseu de Sus.
8 Kosice - Zywiec - Karpacz - Bärenstein - Ennigerloh Der Abschied von Florentina und Björn war auch gleichzeitig ein Abschied von Rumänien. Vorbei am lustigen Friedhof von Sapanta ging´s dann bei brütend heißen Temperaturen über Ungarn in die Slowakei. Unterwegs haben wir den größten Burganlage Europas in Spisske Podhradie einen kurzen Besuch abgestattet. Die Überquerung der Hohen Tatra in Richtung Zakopane (PL) fand dann leider im Dauerregen statt, so dass wir - anders als 2011 - von der gigantischen Kulisse des kleinsten europäischen Hochgebirges nichts erkennen konnten. Die Nacht in Zywiec konnte man angesichts eines deutlichen Qualitätsverlustes des in 2011 noch so hoch gelobten Hotels vergessen. Entschädigt wurden wir dann allerdings in einem extrem preiswerten und super guten Hotel in Karpacz, ehemals Krumhübel. Das Riesengebirge, die Schneekoppe und die Landschaft des südlichen Erzgebirges sind allein schon eine Reise wert. Der Abstecher auf den Hausberg von Liberec mit dem weithin sichtbaren Fernsehturm war sicherlich ebenso einer der besonderen Momente unserer letzten Etappen Richtung Heimat wie der Besuch der Motorradhöhlen von Pekelne Doly in der Nähe von Ceska Lipa in Nordböhmen. In unserem schon häufig als "Basecamp" genutzten Hotel "Zur Fichte" in Bärenstein hieß es dann Abschied nehmen: Volkmar in Richtung Crailsheim, ich in Richtung Ennigerloh ... und Willi war ja schon daheim. Fazit: Mehr als 6.000 atemberaubende Motorradkilometer durch Osteuropa, faszinierende Landschaften, Helfer in der Not und eine hierzulande nicht für möglich zu haltende Gastfreundschaft ... |